Glosse der Woche „Ratgeber“

 

Wer sich gerne in der Rolle des unaufgeforderten Ratgebers sieht, ist selbst gut beraten, wenn er sich zuvor über das Thema des Beratungsgegenstands in ausreichendem Maße kundig macht. Allzu leicht gerät der Ratgeber sonst in den Geruch reiner Besserwisserei, und manch unfreiwillig Bera­tener stellt sich die berechtigte Frage, wann und wodurch denn der Ratgeber so unerwartet zur Quelle seiner Weisheit vorgedrungen ist.

 

Kürzlich durften wir aus offenbar überzeugtem Munde beinahe atemlos erfahren, daß Fabrik­schornsteinen moderner Bauart nur mehr „ein Hauch“ entströme, der sich unmerkbar – und un­meßbar? – und harmlos in die Weite des Luftmeers verteile und sich dort einfach verliere. Das hat uns vor allem deshalb fast den Atem genommen, weil jener Au­tor zuvor je kaum als Experte für die bekanntermaßen anspruchsvollen Wissenschaften der Strö­mungsmechanik und der Toxikologie in Erscheinung getreten war, deren sich bekanntlich ausgewiese­ne Fachleute bedienen.

 

In seiner jüngsten Einlassung erteilt nun derselbe Autor der BIW den sicher gut gemeinten Rat, man möge sich „schnellstens an den runden Tisch ins Rathaus“ zurück begeben. „Nur in der Run­de mit Bürgermeister Mario Weisbrich, den Gemeinderäten und Kämmerer Anton Dekreon kann eine Anhörung und eine Entscheidung im Fall Hafner fallen.“ Der verdutzte Schreiber dieser Zeilen, obwohl am runden Tisch persönlich und leibhaftig mehrmals anwesend, vermag sich trotz ange­strengten Nachden­kens nicht zu erinnern, unseren eifrigen Autor je am besagten „runden Tisch“ im Rathaus gesehen zu haben. Und er fragt sich deshalb, woher dieser denn weiß, wie und was dort geredet, diskutiert, oder um was dort gestritten worden ist. Und welche „Entscheidung im Fall Hafner“ kann am run­den Tisch des Rathauses denn fallen? Weiß unser Autor und Ratgeber denn nicht, daß Bürgermeis­ter und Gemeinderat sich längst und offenbar unwiderruflich im Fall Hafner entschieden haben, nämlich für Hafner? Und ist es unserem Autor entgangen, daß der Rat am 23.7.2013 vor den in der Hagenschießhalle anwesenden Bürgern den Verkauf von Breitloh-West II an C. Hafner be­schlossen hat? Welche Entscheidung sollte also am runden Tisch noch fallen, wo doch bekannter­maßen alles bereits entschieden ist?

 

Was zeigt uns dies? Nicht ein einziges der geführten Gespräche am runden Tisch des Rathauses wurde von Seiten der Gemeinde ergebnisoffen geführt. Die Taktik liegt klar auf der Hand: Ziel war es, Zeit zu gewinnen, einseitig und unidirektional zu informieren, jedoch niemals das am 18.12.2012 als „Aufstellungsbeschluß“ beschlossene Ziel in Frage zu stellen: Die Ansiedlung der Hafner-Betriebe in Wimsheim. Dem gegenüber hat die BIW schon nach dem ersten Termin offene Gespräche in ausgeglichener Besetzung und mit einem von Fachleuten empfohlenen, unabhängi­gen Moderator als Gesprächsleiter vorgeschlagen. Weil die Gemeinde dem nicht zustimmen wollte oder konnte, war eine Fortsetzung der Rathausgespräche sinnlos geworden. Dies war der wahre Grund für das Scheitern dieser Gesprächsreihe.

 

Was meint unser Ratgeber mit der Behauptung: „die Firma Hafner ist ohne Zweifel ein Gewinn für Wimsheim?“ Was und wieviel gewänne der Ort durch Hafner? Meint er einen heute noch nicht ein­mal von Eingeweihten zu quantifizierenden Steuersegen, oder stellt er sich einen Zuwachs an Ar­beitsplätzen im Dorf dadurch vor, daß bei Hafner die seitherige Belegschaft gegen arbeitslose Wimsheimer ausgetauscht wird? Hegt unser Autor gar die ambitionierte Hoffnung, Hafner werde reichlich Sponsorengelder in die klammen Kassen der örtlichen Vereine fließen lassen? Eines ist si­cher: Im Gefolge der Hafner-Ansiedlung hätte Wimsheim einen Gewinn zu erwarten an Verkehr, an Schwerme­tallen, toxischen Abgasen und zusätzlich einen niemals auszuschließenden Gewinn an Ri­siko, eine Störfallgemeinde zu werden.

 

Übrigens hat jeder Gewinn seinen Preis: Den können alle Wimsheimer sofort beim Namen nennen: Es ist der Verlust des Ortsfriedens. Diesen vermissen viele Wimsheimer schmerzlich. Er ist eine der Segnungen des Projekts Hafner, deren wir uns heute schon erfreuen dürfen. Aber da­für ist natür­lich die BIW zuständig, nicht etwa die Ge­meinde, die ja nur das Gute will.

 

Die Aussage, Wimsheim sei „in den letzten Jahren um das Vierfache gewachsen“, verlangt nach ei­ner Präzisierung. Welcher Zeitraum ist gemeint? Seit dem Dreißigjährigen Krieg, seit der Einwei­hung der ev. Michaelskirche um 1886 oder seit dem Ende des 2. Weltkriegs 1945? Am Ende des Dreißigjährigen Kriegs sollen in Wimsheim noch ganze zwölf Einwohner gelebt haben. Nähme man diese Zahl als Bezugsgröße, hätte Wimsheim heute eine mehr als 220-fache Einwohnerzahl. Legte man die Einwohnerzahl zur Zeit der ersten Kirchweih‘ zugrunde, käme man heute höchstens auf die 3,2-fache Einwohnerzahl. Noch weniger Zuwachs ergäbe der Bezug auf die Zeit kurz nach 1945 mit ca. 1100 Einwohnern, nämlich kaum mehr als das 2,5-fache. Ein kurz­er Blick auf die Tabellen des Statistischen Landesamts straft die Schätzung unseres Autors vollends Lügen (vgl. hierzu Planet-Kaizen vom 25.01.2014)*

 

Ob unser Ratgeber zuverlässig beurteilen kann, welche „Wandlungen“ im Hause Hafner vorgenom­m­en worden sind, und ob infolge der Einführung neuer Anlagen und Geräte gesetzliche Vorga­ben „noch weiter unterschritten“ werden können, ist vor dem Hintergrund der skizzierten Er­kenntnisse mehr als fraglich. Übrigens ist die nebenbei erwähnte „hinterste Ecke von Wimsheim“, in der die Errichtung der versammelten Hafner-Betriebsstätten geplant ist, nicht einfach ein Ort minderer Qualität, sondern Lebensraum seltener Fledermausarten, des vom Aussterben bedrohten Grün­spechts, ausgewiesenes Wasserschutzgebiet und Frischluftschneise für die örtlichen Wohnge­biete.

 

Auch mit dem Vorwurf, den BIW-Vorsitzenden gehe es in erster Linie ja nur um „die schöne Aus­sicht vom Balkon“, liegt unser Autor falsch. Der Blick auf Fabrikschornsteine ist etwas anderes als der auf Sendemasten, von denen mindestens zwei im Sichtbereich der Wims­heimer liegen, weil nur die Schornsteine die nicht einmal von Hafner bestrittene Emission von Schadstoffen asso­ziieren. Würde im Breitloh ein Aussichtsturm errichtet, dürften sich alle Balkonbenutzer freuen, denn Aussichtstürme sind touristisch interessant und geben üblicherweise keine Schadstoffe ab. Und ganz nebenbei: Für wieviele der 825 Wimsheimer und der mehr als 500 Friolzheimer, die sich durch Unterschrift gegen Hafner ausgesprochen haben, ist denn die gestörte Aussicht vom Balkon ein Thema? Also lieber Ratgeber: Bitte nur vergleichen, was vergleichbar ist!

 

Ich bin erfreut, daß unserem Autor daran gelegen ist, daß „Keiner sein Gesicht verliert.“ Wir von der BIW machen dazu seit langem einen ernst gemeinten und leicht umsetzbaren Vorschlag. Er heißt Bürgerentscheid, eröffnet allen Parteien die gleichen Chancen und ist fundamentale Voraus­setzung für die Wiedergewinnung des Ortsfriedens. Wer oder was hindert uns?

 

Fazit: Der geneigte Leser mag selbst entscheiden, wer im Widerstreit der Meinungen den dicksten Schaum schlägt!

 

 -Serenus-                                                                                                                                                       –

                                                                                                                                                  

 

 

*)Haftungsausschluss für externe Links