Versuch einer Anleitung zu praktischer Demokratie

„So läuft unsere Demokratie“ erklärt Dr. Philipp Reisert in der PZ vom 7.2.2014 und erteilt damit der „demokratisch legitimierten Exekutive“ der Wimsheimer Verwaltung unaufgefordert Absolution. Ähnliches hat man aus dem Munde eines Gemeinderats gehört: „Wir sind gewählt und machen unsere Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen.“ Doch ist das genug, nur die halbe Wahrheit oder gar ein Irrglaube?

 

Demokratie besteht demnach darin, daß die Wähler alle paar Jahre ihr Kreuzchen machen und hoffen, daß die so gewählten „Volksvertreter“ das Richtige, das Gewünschte, tun. Was aber, wenn die Volksvertreter nicht im Sinne der Bürger entscheiden? Läuft unsere Demokratie dann auch noch richtig? Sind die Bürger und Wähler dazu verdammt, zu warten, bis sie erneut ihr Kreuzchen machen dürfen, um dann ihren Vertretern möglicherweise ihr Mandat zu entziehen? Und über­nimmt ein Mandatsträger mit seiner Wahl nicht auch die Pflicht, immer wieder zu prüfen, ob seine Handlungsweise noch vom Wunsch und Willen seiner Wähler gedeckt ist, ob er noch überein­stimmt mit den Interessen der Bürger? Was ist, wenn der leiseste Zweifel aufkommt, ob Entschei­dungen noch im Sinne der Bürger getroffen werden? Muss nicht spätestens dann der Bürger be­fragt werden, wohin die Reise gehen soll?

 

Wir haben gelernt, daß wir eine „repräsentative Demokratie“ haben in diesem Land, angeblich die beste und freiste aller Zeiten auf deutschem Boden. Aber in unserer Verfassung steht auch zu le­sen, daß das Volk der „oberste Souverän“ sei. Auf unsere Gemeinde projiziert bedeutet dies: Die Bürger in ihrer Gesamtheit sind der Souverän, dem die Verwaltung zu dienen hat, unterstützt und kontrolliert vom gewählten Gemeinderat. Jeder einzelne Gemeinderat ist von diesem Souverän be­auftragt, zum Wohle und im Sinne der Bürger zu handeln; darin besteht sein Mandat. Dieses hat er nicht vom Bundeskanzler, nicht vom Ministerpräsidenten, nicht vom Landrat und nicht vom Bürger­meister erhalten, auch nicht von Rechtsanwalt Büchner, sondern allein von den Bürgern Wims­heims. Diesen ist er verantwortlich. Stellt sich heraus, daß seine individuellen Interessen und Wertvorstellungen erkennbar nicht (mehr) mit denjenigen der Bürger übereinstimmen, so muss er sein Mandat zwingend zurückgeben, kann die Bürger nicht länger vertreten. So, Herr Dr. Reisert, und so, werte Gemeinderäte, geht echte Demokratie!

 

Der Gemeinderat muss die Kongruenz seiner Interessen mit dem Bürgerinteresse nicht prüfen, wenn es um die Beschaffung von 10 neuen Gießkannen für den Friedhof geht. Vermutlich besteht dazu auch kein Anlass, wenn im Zuge einer Bauanfrage an einem vorhandenen Gebäude etwa eine Zisterne eingerichtet werden soll. Wenn aber ein Projekt mit weitreichenden Auswirkungen für die Gemeinde und ihre Bürger, womöglich sogar bedeutsam für spätere Generationen, ins Werk ge­setzt werden soll, bedarf es unzweifelhaft der Rückversicherung bei den Bürgern. Dies ist nicht nur notwendig vor dem Hintergrund der verfassten politischen Hierarchie, sondern ein Gebot persönli­cher Klugheit und Rücksichtnahme.

 

Nicht erst seit der denkwürdigen Gemeinderatsitzung am 4. Februar 2014 muss sich der Gemein­derat fragen, ob er noch im Sinne der Bürgerschaft entscheidet.
Wenn sich die Damen und Herren dieses Gremiums dessen nicht (mehr) sicher sind – wie könnten sie’s angesichts der gegenwärti­gen Situation im Ort sein? – sollten, nein müssten (!) sie die Bürger fragen. Danach können sie beruhigt und mit dem Rückhalt der Bürger, so oder anders weitermachen. Es wäre so einfach, und es ist legal, denn es gibt kein Gesetz, das eine Bürgerbefragung verbietet!

 

Und noch etwas wäre für den Wimsheimer Rat zu überlegen. Am 25. Mai 2014 finden im ganzen Land Kommunalwahlen statt, und auch in Wimsheim wird ein neuer Gemeinderat gewählt. Die  Mandate aller Gemeinderäte laufen also in wenigen Wochen aus. Ob sie nach der Wahl erneuert  werden, hängt von der Entscheidung der Wähler ab. Einige der heutigen Gemeinderäte werden wahrscheinlich aus dem Gremium ausscheiden wollen oder müssen. Für jeden einzelnen stellt sich spätestens jetzt die Frage, ob er oder sie innerhalb der demnächst auslaufenden Mandatszeit eine derart belastete und folgenschwere Entscheidung treffen will, wie sie die Ansiedlung der Haf­ner-Betriebe darstellt, und ob er oder sie sehr viele Mitbürger in der vorgeführten Weise übergehen will. Herr Dr. Reisert irrt, wenn er meint, viele Bürger würden darüber froh sein, daß eine, genauer: diese Entscheidung, gefallen ist. Nun könne man auf einander zugehen, orakelt er unbestimmt. So sehr das zu wünschen wäre: Wer aber soll denn auf wen zugehen nach einem so fundamentalen Zerwürfnis, das ja fortbesteht, wenn sich Bürger in großer Zahl übergangen oder sogar betrogen fühlen? Vielleicht hoffen einige Opti­misten auf die Macht der Gewöhnung, doch tiefe Wunden heilen langsam und hinterlassen blei­bende Narben. Besser wäre es, heute die Bürger aktiv zu befragen, als morgen passiv auf eine ungewisse Versöhnung zu warten!