Glosse der Woche

Glosse der Woche

 

Das „Blättle“ vom 10. Oktober 2014 offerierte seiner geneigten Leserschaft auf seiner Titelseite einen bunten Bericht über eine be­merkenswerte Auszeichnung einer ortsansässigen Einrichtung, die sicherlich alle Einwoh­ner berührt, viel­leicht gar gerührt hat. Nein, gemeint ist nicht eine Abteilung der Gemeindeverwaltung, nicht die Freiwillige Feuerwehr, auch nicht einer der örtlichen Vereine, keine der beiden Kirchengemeinden, die Adresse der aus­gezeichneten Einrichtung lautet auf ALTATEC/CAMLOG, das nicht weiter zu spezifizierende Produktions- und Handelsunternehmen am südlichen Ortseingang. Wo es eine(n) Ausgezeichnete(n) gibt, muß es auch eine Auszeichnende geben. Auch hierüber gibt der Verfasser der Blättlestitelseite Auskunft: „European Landscape Contractors Association“ (ELCA), was in freier Übersetzung so etwas wie „Europäische Vereini­gung der Land­schaftsbauunternehmer“ bedeuten mag. Der angegebene Ort der Auszeichnungsverlei­hung verrät etwas über die Zielsetzung dieser Preisverleihung: Es war die Fachmesse „GaLABau 2014“, was zweifelsfrei darauf hinweist, daß hier etwas verkauft werden soll. Messen dienen be­kanntlich dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Mittel der Werbung garniert und be­feuert werden. Und genau so ist die Verlei­hung dieses Preises zu verstehen: Sie fällt in die Rubrik Werbung. Den unbefangenen Leser des Blättles dürfte es allerdings nachdenklich stimmen, weshalb auf dessen Titel­seite in überschwenglichen Tönen eine Werbeveranstaltung für eine Branche und gleichzeitig für ein Wirtschaftsunternehmen gefeiert wird. Fast könnte man meinen, die Werbeabteilung von ALTATEC habe dem Verfasser die Feder ge­führt.

 

Um nicht mißverstanden zu werden: Der Schreiber dieser Zeilen hat nicht die Absicht, die Preisverleihung an sich zu tadeln. Wir alle sind ja an tägliche Werbeattacken gewöhnt, die sozusagen ein Markenzeichen unse­rer Wirtschaft bilden. Und gewiß ist auch die Freude des ausgezeichneten Unternehmens, noch mehr viel­leicht des beauftragten Garten- oder Landschaftsarchitekten verständlich, sich derart hervorgehoben zu se­hen. ALTATEC/CAMLOG hat denn auch dieses bedeutende Ereignis mit einem zünftigen Fest für ausschließ­lich geladene Gäste gefeiert. Selbst ein hochrangiger Vertreter des Wirtschaftsministeriums hat es sich nicht nehmen lassen, extra aus der Landeshauptstadt anzureisen, um mit einer Ansprache die ausgezeichneten „Gärten der ALTATEC“ – die sprachliche Anlehnung an eines der sieben Weltwunder der Antike ist gewollt – zu loben. Was indessen der für den Naturschutz im Enzkreis zuständige Amtsträger an der Gartenanlage be­sonders lobenswert finden mochte, dürfte sein Geheimnis bleiben. Der Schreiber dieser Zeilen vermag sich nicht vorzustellen, was an der so gepriesenen Gartenanlage natürlich oder auch nur naturnah sein soll. Eine Wimsheimer Bürge­rin hat die Gestaltung des angeschlossenen Verkehrskreisels, der erklärtermaßen gestalte­rischer Teil der ALTATEC-Gärten ist, auf den Punkt gebracht: Wer von Süden her nach Wimsheim einfährt, durchquert eine formidable „Endmoräne“, de­ren charakteristisches Erscheinungsbild eine hingeworfene Ge­röllhalde aus schweizerischem Gra­nit ist. Die eingepflanzten Pampas-Grasbüschel erinnern eher an die Hin­terlassenschaft eines abgeschmolze­nen An­dengletschers in Patagonien denn an die Heckengäugemeinde Wimsheim, deren prägende Gesteins­art der rote Buntsandstein des nördlichen Schwarzwalds ist. Überhaupt ist das dominierende Gestaltungsele­ment in den ALTATEC-Gärten der Stein, der sicher ebenso wenig Ernäh­rungs- und Lebensgrundlage für ein­heimische Insekten bietet wie die reichlich implantierten, exotischen Grä­ser. Man könnte auf die Idee kom­men, daß die Reduktion des Pflegeaufwands an erster Stelle der Prioritä­tenliste im Pflichtenheft des Auftrag­gebers stand. Jedenfalls scheint der Landschaftsarchitekt dieser Garten­anlage noch nicht viel von der Not unserer heimi­schen Bienenvölker gehört zu haben, die ja wohl nicht nur unter der berüchtigten Varroamilbe, sondern auch unter dem kargen Nahrungsangebot moderner Gärten und Felder leiden.

 

Es mag sein, daß sich Anhänger fernöstlicher Lebensphilosophien in Kunstgärten à l’ALTATEC wohl fühlen, der Naturfreund dürfte eher abgestoßen sein von diesem seelenlosen, leblosen Gebilde, und ob die Mitarbei­ter des Unternehmens ihre Blicke nicht lieber auf einen bunten Blütenteppich geworfen hätten, darf nicht nur vermutet werden. Letztere werden diesbezüglich, wie bei derlei Unternehmungen üblich, wohl nicht nach ih­ren Wünschen befragt worden sein. Übrigens hat man andernorts Verkehrskreisel nicht aufwendig konstrui­ert, sondern klug und kostengünstig mit einer Wildblumensaat geschmückt, die ohne weiteres Zutun binnen Wochen zu einer Labsal für Mensch und Insekt geworden sind. Preise wurden dafür allerdings, soweit man hört, nicht verliehen.

 

  – Serenus –